Text: Tobias Hürter
Am 24. Dezember 1971 bestieg Juliane Diller, damals 17, ein Flugzeug der peruanischen Linie Líneas Aéreas Nacionales, das sie von der peruanischen Hauptstadt Lima nach Pucallpa in Zentralperu bringen sollte. Ihr eigentliches Reiseziel war die biologische Forschungsstation Panguana mitten im Dschungel, die ihre Eltern gegründet hatten, und wo sie die letzten drei Jahre gelebt hatten.
Die Linie hatte keinen guten Ruf, und das viermotorige Turboprop-Flugzeug des Typs Lockheed L-188 Electra hatte eine Vorgeschichte von Unfällen. Doch es war Weihnachten. Alle wollten heim. In anderen Flügen hatten Juliane und ihre Mutter Maria keinen Platz mehr bekommen.
Der Flug sollte nur eine knappe Stunde dauern. Nach der Hälfte geriet die Maschine in ein Gewitter. Die Passagiere wurden heftig durchgeschüttelt. Die Weihnachtsgeschenke fielen aus den Gepäckfächern. Die Maschine wurde vom Blitz getroffen und brach auseinander. Außer Juliane Diller fanden alle Menschen, die an Bord waren, den Tod. Auch ihre Mutter. Juliane, noch an ihre Sitzbank gegurtet, fiel drei Kilometer hinunter in den Regenwald – und überlebte. Sie wanderte elf Tage durch den Dschungel, bis sie auf Menschen traf.
Was diese Geschichte so einzigartig macht, ist, dass es eigentlich zwei Überlebensgeschichten sind, jede für sich beinah unglaublich. Das gewaltige Medienecho wurde Juliane Diller zu viel. Sie zog sich aus der Öffentlichkeit zurück – bis der deutsche Regisseur Werner Herzog sie ausfindig machte. Er drehte im Jahr 1998 den Dokumentarfilm »Wings of Hope« (deutsch: Julianes Sturz in den Dschungel) über ihren Überlebenskampf. Bemerkenswert an der Geschichte ist auch die Beziehung, die Juliane Diller heute zum Regenwald hat: eine überaus freundliche. Sie hat sich dem Schutz des Lebensraums verschrieben, in den sie damals stürzte. Sie führt die Forschungsstation Panguana weiter, die ihre Eltern einst gründeten.